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Pusemuckel
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Beitrag von Pusemuckel »

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Warum nehmen Menschen überhaupt Drogen? Ein Teil der Antwort liegt in der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Den anderen hält die gute alte Evolution bereit.

Wer in den späten Achtzigern das Vergnügen hatte, in der Schule einer VHS-Videovorführung zur Suchtprävention beizuwohnen, lernte über die Wirkung von Drogen ungefähr dieses: Jede Drogenkarriere beginnt mit Haschisch, und zwar auf wilden Partys, wo unter dem Einfluss des Cannabis-Harzes dann alles extrem farbig, unscharf und irre verzerrt wird. Am Ende kommen der Notarzt und die Polizei.

Vielleicht hatten die Macher dieser Filme bloß zu viel Dumas oder Flaubert gelesen, in deren Erzählungen fantasievolle Schilderungen von Haschischorgien vorkommen. Oder aber sie waren der irrigen Annahme aufgesessen, alle Drogen wirkten mehr oder weniger stark wie die psychedelische Substanz Lysergsäurediethylamid, kurz LSD, die tatsächlich Halluzinationen erzeugt.

Heute wissen selbst Schüler, dass Cannabis kein kleines LSD ist, und Alkohol ganz andere Effekte hat als Nikotin. Trotzdem spielt eine differenzierte Darstellung des Rauschs noch immer keine Rolle in der Suchtprävention. Sie konzentriert sich auf die Folgen, vor allem auf das Abrutschen in kriminelle Milieus und soziale Isolation. Ein Versäumnis, denn die Effekte von Drogen sind untrennbar mit einer anderen wichtigen Frage verbunden: Warum nehmen Menschen überhaupt Drogen?

Alle Drogen, ob legal oder illegal, können gesundheitliche Schäden verursachen. Zugleich herrscht wohl auch unter Wissenschaftlern Konsens darüber, dass eine Welt ohne Drogen für den Menschen nie existiert hat – und auch nie existieren wird. Wertungsfreie Informationen darüber, wie Drogen wirken, was sie mit dem eigenen Körper tun, welche Dynamik sie dabei haben, warum sie abhängig machen, erscheinen Experten daher als eines der wichtigsten Mittel der Prävention. Insbesondere, wenn es um den Schutz von Jugendlichen geht.

ZEIT ONLINE teilt diese Auffassung und widmet dem Wissen über Drogen eine Serie, angefangen beim Rausch über das Rätsel Abhängigkeit bis hin zu schweren Entzugserscheinungen und tödlichen Überdosen. Aus diesem Grund unterstützen wir auch den Global Drug Survey – die weltweit größte Umfrage zum alltäglichen Drogenkonsum. Dessen Ergebnisse veröffentlichen wir exklusiv für Deutschland im April 2014.

"Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe für den Konsum", erklärt der Psychopharmakologe David Nutt vom Imperial College in London. "Um Freude zu erfahren und um Leiden zu lindern." Und soviel ist allen Drogen gemein: Sie bewerkstelligen ihre Aufgabe, indem sie die biochemischen Gleichgewichte im Gehirn beeinflussen. Einige funktionieren sogar ähnlich wie moderne Psychopharmaka. Die Mechanismen allerdings sind verschieden, und so entstehen auch völlig unterschiedliche Effekte, aufgrund derer sich einige Gruppen von Drogen definieren lassen.
Die Effekte von Drogen sind vielseitig

Opioide wie Heroin oder das Hustenmittel Codein etwa wirken wie körpereigene Endorphine, die nach dem Sex oder bei Ausdauersportlern für beglückende Gefühle der Harmonie sorgen und das Schmerzempfinden dämpfen. Kokain, Amphetamin und der alltägliche Kaffee dagegen setzen stimulierende Botenstoffe im zentralen Nervensystem frei und unterdrücken das Bedürfnis nach Schlaf und Essen. Alkohol und bestimmte Beruhigungsmittel wiederum versetzen das Gehirn in einen Zustand wie kurz vor dem Zubettgehen: Sie entspannen die Muskeln, dämpfen Schmerzen und befreien die Gedanken, wobei Alkohol auch auf- und anregende Effekte haben kann. Ein ganz eigenes Wirksystem im Körper besitzt Cannabis: Es erzeugt eine spezifische Effektmischung aus Beruhigung, sozialer Öffnung und gelegentlich auch veränderter Wahrnehmung.

Viele dieser Effekte können abhängig von Dosis und Art des Konsums schädliche oder lebensgefährliche Ausmaße erreichen. Im Wesentlichen aber handelt es sich um verstärkte oder unterdrückte Emotionen und Empfindungen, die der Mensch aus seinem Alltag kennt.

Psychedelische Substanzen wie LSD, Mescalin oder Psilocybin aus Pilzen dagegen erweitern das Spektrum des Erlebens auf eine Weise, die Neurowissenschaftler bis heute nicht verstehen. Zwar konnten sie zeigen, dass LSD sich teilweise wie das Glückshormon Serotonin verhält, was die starken sozialen Effekte der Droge erklärt. Warum das Gesehene aber in ungeahnter Farbigkeit alle Gesetze der Räumlichkeit und Proportion verlässt und zuvor nicht erlebbares erlebt wird, ist nach wie vor unklar. Man würde meinen, diese Halluzination müssten etwas mit einer Hyperstimulation des Gehirns zu tun haben. Stattdessen haben Forscher gezeigt, dass die Hirnaktivität unter LSD sogar heruntergefahren wird.

Neuronale Effekte erzählen aber nur die halbe Geschichte. "Drogen können nicht aufgrund bloßer Mechanismen verstanden werden", glaubt auch David Nutt. "Der Kontext und die Umgebung sind essentiell für ihre Wirkung". Zu den entscheidenden Kontexten gehört die Evolution: Die meisten Drogen sind pflanzlichen Ursprungs oder von natürlich vorkommenden Substanzen abgeleitet, die über viele Jahrtausende zu einer Anpassung von tierischen und später auch menschlichen Gehirnen geführt haben.

Statt abgeschreckt zu werden, fanden schon prähistorische Kreaturen großen Gefallen an den Effekten dieser Pflanzenstoffe. "Wir nahmen Drogen, lange bevor wir Menschen wurden", schreibt der britische Kulturhistoriker Mike Jay in seinem Buch High Society. Erst der Mensch allerdings war fähig, die Wirkungen der natürlichen Drogen noch zu steigern: zunächst mit Hilfe neuer Methoden des Konsums, von der Inhalation des Tabakrauchs bis hin zur Einnahme des milchigen Saftes, der aus der Samenkapsel des Opiums gewonnen werden kann. Später extrahierten die ersten Alchemisten und Chemiker hochpotente Wirkstoffe aus den pflanzlichen Stoffgemischen. Und schließlich kamen die synthetischen Drogen auf den Markt, also Abwandlungen der natürlichen Vorbilder, die noch effizienter zum Rausch führten oder sogar neue Wirkungen entfalteten.

In jeder Phase dieser Entwicklung starben Tiere und Menschen an Drogen oder nahmen mehr oder minder großen Schaden. In der Summe allerdings scheinen die Vorteile von Drogen aus Sicht der Evolution zunächst überwogen zu haben. Das Rauscherleben durch psychoaktive oder psychedelische Substanzen wurde folglich auch ein fester Bestandteil fast sämtlicher menschlicher Hochkulturen. So gesehen ist Drogenkonsum laut David Nutt etwas "vollkommen natürliches". Die heutigen Möglichkeiten allerdings, die Potenz von Drogen um ein vielfaches zu steigern, macht sie auch weit gefährlicher. Nutt meint deshalb: "Wir müssen beides verstehen, unsere natürlichen Impulse und den modernen Kontext des Drogenkonsums, um diese Risiken zu minimieren."
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hand
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von hand »

Die Hirnaktivität wird unter LSD heruntergefahren? Das kann nicht richtig sein. Der Teil, der für Schubladendenken zuständig ist vielleicht.
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hammock
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von hammock »

Von dem Witz mal abgesehen:

Doch, das kann in der Tat so sein! Man muss hier das Hirn insgesamt betrachten. Bestimmte Substanzen regen jeweils nur bestimmte Hirnregionen extrem an und lassen andere dabei widerum "links" liegen. ;-)

Bei der Tiefenmeditation (wo man eigentlich geringe Hirnaktivität erwartet) sind fast alle Areale gleichzeitig aktiv.
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אל תשאלו
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von אל תשאלו »

Interessant ist vielleicht noch in diesem Zusammenhang das das stimmulierende Amphetamin die Hirndurchblutung um 20% senkt. Gut möglich das die Hirnaktivität unter LSD heruntergefahren wird. Ich meine mal gelesen zu haben das, man glaubt es kaum, der Zustand unter LSD tiefer Entspannung gleicht.
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Pusemuckel
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von Pusemuckel »

Bezüglich der Senkung der Hirnaktivität durch LSD fällt mir ganz spontan ein, daß Nahtotserfahrungen ja auch durch körpereigenes DMT angeregt werden sollen!! Ich glaube nicht, daß das Gehirn kurz vor dem (vermeintlichem) Tot plötzlich die Leistung steigert, sondern eher deutlich senkt!!
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syzygy
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von syzygy »

hand hat geschrieben:Die Hirnaktivität wird unter LSD heruntergefahren? Das kann nicht richtig sein. Der Teil, der für Schubladendenken zuständig ist vielleicht.
Hehe :)

Ich habe gerade (und zum ersten Mal) das Buch "Die Pforten der Wahrnehmung" von Aldous Huxley gelesen. Da steht, die Arbeit des Hirns ist "hauptsächlich eliminierend". Wenn also die Filtermechanismen im Hirn abgeschaltet werden, ist erweiterte Wahrnehmung da. Im Buch werden auch andere Beispiele zur "Schwächung" des Gehirns genannt, wie Fasten (Vitaminmangel), Selbstgeisselung (Toxine vereiterter Wunde gelangen ins Gehirn), Reizentzug, etc.

Aus dem Buch:
(...)
Wenn ich über mein Erlebnis nachdenke, muss ich dem Philosophen C. D. Broad in Cambridge beipflichten, »dass wir gut daran täten, viel ernsthafter, als wir das bisher zu tun geneigt waren, die Theorie zu erwägen, die Bergson im Zusammenhang mit dem Gedächtnis und den Sinneswahrnehmungen aufstellte, dass nämlich die Funktionen des Gehirns, des Nervensystems und der Sinnesorgane hauptsächlich eliminierend arbeiten und keineswegs produktiv sind. Jeder Mensch ist in jedem Augenblick fähig, sich all dessen zu erinnern, was ihm je widerfahren ist, und alles wahrzunehmen, was irgendwo im Universum geschieht. Es ist die Aufgabe des Gehirns und des Nervensystems, uns davor zu schützen, von dieser Menge größtenteils unnützen und belanglosen Wissens überwältigt und verwirrt zu werden, und sie erfüllen diese Aufgabe, indem sie den größten Teil der Informationen, die wir in jedem Augenblick aufnehmen oder an die wir uns erinnern würden, ausschließen und nur die sehr kleine und sorgfältig getroffene Auswahl übrig lassen, die wahrscheinlich von praktischem Nutzen ist.« Gemäß einer solchen Theorie verfügt potentiell jeder von uns über das größtmögliche Bewusstsein. Aber da wir lebende Wesen sind, ist es unsere Aufgabe, um jeden Preis am Leben zu bleiben. Um ein biologisches Überleben zu ermöglichen, muss das größtmögliche Bewusstsein durch den Reduktionsfilter des Gehirns und des Nervensystems hindurchfließen. Was am anderen Ende herauskommt,ist ein spärliches Rinnsal von Bewusstsein, das es uns ermöglicht, auf eben diesem unserem Planeten am Leben zu bleiben. Um die Inhalte des auf diese Weise reduzierten Bewusstseins begrifflich zu fassen und auszudrücken, hat der Mensch Symbolsysteme und unendliche Philosophien erfunden und immerwährend erweitert, welche wir Sprachen nennen.
(...)


PS. Meskalin muss toll sein.
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syzygy
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von syzygy »

Mir gefällt die Idee... Unser Geist kann alles erfassen. Wir leben aber in einer materiellen Welt, also unser Geist im materiellen Körper. Um hier zu "funktionieren", wurde das Gehirn dazwischen geschaltet, als Reduktionsfilter für "materielles" (und "geistiges"?) bzw. Schnittstelle von Körper und Geist. Wenn das Gehirn ganz wegfällt, sind wir ganz Geist... vielleicht. ;-)
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hammock
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von hammock »

Interessanter Gedankengang !

Das wird im m.E. dadurch unterstrichen, dass beim Meditieren fast alle Areale aktiv sind :
Beim Meditieren schaltet man gewissermaßen sämtliche äußeren Sinneswahrnehmungen ab. Das Hirn wird dadurch in allen Bereichen gleichzeitig aktiv (ähnlich einem Notrufknopf), weil der Input fehlt.
Wenn das Gehirn ganz wegfällt, sind wir ganz Geist... vielleicht.
Gedanken sind Materie, bzw aus Gedanken (Energie) kann sich Materie entwickeln -> aus Ideen werden materielle Dinge


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syzygy
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von syzygy »

Ist das eine Formel um Gedanken zu berechnen? :irre:

Du meinst also, wenn wir tot sind sind wir tot? Ich mein das auch, aber es fühlt sich manchmal eben doch nicht ganz so an. :shroomer: Ich würde vielleicht auch unterscheiden zwischen Gedanken und Geist.

Vielleicht ist auch die Unendlichkeit vergänglich und existiert in jedem Augenblick, im Hier und Jetzt.

Unendlichkeit, totale Wahrnehmung, sind wohl beides theoretische Werte...

Das war mein Gedöns zur heiligen Wochenteilung. :pope:

PS. Leider sind zZ. meine Meditationserfahrungen zur Zeit eher rückläufig... :sleep:
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hammock
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Re: Alles so bunt hier

Beitrag von hammock »

Jupp, nach dem Tod kommt nichts. Zumindest nicht für die Gedanken. Gedanken sind nichts weiter als elektrische Signale , und wenn deren physikalische Grundlage (Hirn) nicht mehr gegeben ist, ... dann Ende, Aus, Feierabend.

Alles andere ist reine Spekulation, bzw Wunschdenken.
Ich mein das auch, aber es fühlt sich manchmal eben doch nicht ganz so an.
Warst du schonmal richtig tot? Also ich mein jetzt nicht klinisch tot o.Ä.
Was man aus Nahtoderfahrungen heraus berichtet bekommt oder selber erlebt hat, kann man schnell fehl deuten.
Wenn sowas passiert, geht´s im Endeffekt nur um ein paar chemische Prozesse im Hirn, nichts weiter.

Aber versteh mich nicht falsch! Ich weiß sehr wohl um die Bedeutung von Visionen für die persönliche Entwicklung. Das ist sehr wichtig, solche Erfahrungen zu machen.
Die Erkenntnisse sollten dann dazu dienen, das Leben im Hier & Jetzt zu bereichern, anstatt unnötig Energie in das "eventuelle Danach" zu stecken. Es lebt sich doch viel glücklicher in der Gegenwart anstatt in einer spekulativen überirdischen Zukunft.


Möge die Macht mit Euch sein !


:beer: :beer: :beer:
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